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Energieraumplanung auf Kosten des Natur- und Landschaftsschutzes? – Jetzt wird´s ernst!

28. März 2024

Ausgangssituation

Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU ("Renewable Energy Directive III" bzw. "RED III") soll den Druck auf die Mitgliedstaaten zum verstärkten Ausbau und Einsatz erneuerbarer Energieressourcen deutlich erhöhen (von bis 32 % Erneuerbare bis 2030 EU-weit auf mindestens 42,5 % des (gesamten) Endenergieverbrauchs). Sie ist am 20.11.2023 in Kraft getreten und muss in nationales Recht umgesetzt werden.

Energieraumplanung in Oö.

(Quelle: DORIS, Land Oö.)

Zonierungen und Verfahrensvereinfachungen nach RED III

Bereits bis 21.05.2025 müssen die Mitgliedstaaten den Nationaler Energie- und Klimaplan (NEKP) durch eine Energieraumplanung ergänzen. Dabei sind zur Erreichung des Gesamtziels für erneuerbare Energie für 2030 Flächen und Gewässer für die Errichtung von EE-Anlagen und zusätzliche Netz-, Stromspeicher- und Wärmespeicher- festzulegen. Diese „Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energie“ sind dann bis 21.02.2026 verbindlich auszuweisen.

„Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energie“ („Go-to-Areas“, „Positivzonen“) sind Flächen mit erheblicher Größe, Beitrag zur Verwirklichung der EE-Ausbau-Ziele, vorrangig künstliche und versiegelte Flächen, ohne "erhebliche Umweltauswirkungen".

„Sensibilitätszonen“ („No-go-Areas“ bzw. „Negativzonen“) sind von der Nutzung durch die jeweiligen, spezifischen EE-Projekte “ für die jeweiligen Energieträger auszunehmen. Dazu gehören u.a.:

- Natura-2000-Gebiete

- Gebiete, die im Rahmen nationaler Programme zum Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt ausgewiesen sind

- Hauptvogelzugrouten

- andere Gebiete auf Grundlage von Sensibilitätskarten

Diese Zonierung schlagen auch wesentlich auf nachfolgende Verfahren durch:

Für Beschleunigungsgebiet ist nur mehr eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchzuführen. Wie aus zahlreichen SUP-Verfahren mit öffentlicher Partizipation bisher bekannt: Ein Titel ohne Mittel. Man schreibt sich die Finger wund und wird nicht einmal ignoriert, wenn es nicht in den Kram passt. Beschwerderecht gibt es keines.

Um mögliche negative Umweltauswirkungen zu verhindern bzw.  erheblich zu verringern, sind für jedes Beschleunigungsgebiet geeignete Regeln für wirksame Minderungsmaßnahmen festzulegen.

Damit wird fixiert, dass Projekte in diesen Zonen nicht (mehr) gegen die strengen artenschutzrechtlichen Verbote zum Schutz von Tieren und von Vögeln sowie das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot verstoßen. EE-Projekte in diesen Gebieten sind im Regelfall keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Naturverträglichkeitsprüfung mehr zu unterziehen sind. Ein Screening ist stattdessen ausreichend. Ein positives Screening bedeutet die Genehmigung des EE-Projekts "unter Umweltgesichtspunkten" ohne weitere förmliche Entscheidung der Behörde (Genehmigungsfiktion). Nach einjährigem Ausbleiben der Antwort der Behörde gelten "die spezifischen zwischengeschalteten Verwaltungsschritte" automatisch als genehmigt.

Schattenseiten der Beschleunigungsgebiete

Die RED III sieht für Erneuerbare Energie Projekte ex lege ein „überragendes öffentliches Interesse“ vor. Interessen nach der FFH bzw. Vogelschutz RL sowie der Wasserrahmenrichtlinie hinken also hinterher. Überhaupt ausgenommen sind von einer UVP-Pflicht können Windkraft- und PV-Projekte sein, insbesondere wenn dies zur Zielerreichung erforderlich ist, auch wenn „verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen“, subsidiär angemessene Ausgleichsmaßnahmen und – wiederum subsidiär – Ausgleichszahlungen vorgesehen sind.

So wird in den Beschleunigungsgebieten der faktische Artenschutz und der Gewässerschutz de facto abgeschafft und in letzter Konsequenz durch einen ökologischen Ablasshandel ersetzt. Für die ordnungsgemäße und zielorientierte Verwendung der Ausgleichszahlungen gibt es aber bis dato weder Abwicklungs- noch Umsetzungsstrukturen. Es gibt somit keine Sicherstellung, dass das Geld dort ankommt und das bewirkt, wofür es gedacht ist.

Die Ausweisung der Beschleunigungsgebiete ist deshalb entscheidend, und nicht mehr nachfolgende Verfahren, für den Natur-, Arten-, Landschafts- und Immissionsschutz (Lärm, Schattenwurf, Licht, Infraschall).

Aber auch außerhalb von Beschleunigungsgebieten soll zukünftig aus Sicht des Artenschutzes der Wilde Westen gelten: Tötungen und Störungen geschützter Tiere und Vögel sollen bei der Umsetzung von EE-Projekten nicht als absichtlich gelten, wenn "die erforderlichen Minderungsmaßnahmen" getroffen werden, auch wenn diese noch nicht erprobt sind und wenn sie überwacht werden.

Stille Entmachtung der Gemeinden

Aber auch bereits jetzt haben Windkraftanlagen rechtlich Vorrang: Durch die Novelle 2023 des UVP-Gesetzes wird allein durch den Beschluss zur Einleitung eines Umwidmungsverfahrens für Windkraftanlagenstandorte die Durchführung eines UVP-Verfahrens für diese Windkraftanlagen (nach §4a UVP-G) ermöglicht werden. Es ist also die Einleitung des Widmungsverfahrens, nicht dessen Abschluss, wo die Gemeinde bei Windkraftanlagen entscheidend mitreden kann. Nach dem Einleitungsbeschluss ist der Zug abgefahren. Danach ist die Gemeinde nur mehr Partei und interessierte Zuschauerin.

Energieraumplanung in Oberösterreich

Entscheidend also für die zukünftige Raumentwicklung und die nachfolgenden (stark verkürzten und ausgehöhlten) Verfahren ist die Festlegung von „Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energie“ („Go-to-Areas“, „Positivzonen“) und „Sensibilitätszonen“ („No-go-Areas“ bzw. „Negativzonen“).  Zentrale Knackpunkte und Reibungsflächen sind die Fragen: Wie ernst nehmen wir den Naturschutz? In welcher Landschaft wollen wir leben? Denn nicht von Brot allein lebt der Mensch!

Es ist glasklar, dass ich durch Energieerzeugungsanlagen dieser Dimension, sei es Wind, PV oder Speicher, unser Lebensumfeld und die Landschaft grundlegend und dauerhaft verändere. Diese Anlagen kommen, um zu bleiben, und um mehr zu werden!

Die Oö. Umweltanwaltschaft legt für vorerst 2 Bereiche im Sinne der Zonierung nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) die Festlegung von Sensibilitätszonen Windkraft vor: die RED III-Sensibilitätszone Windkraft „Naturregion Freiwald – Weinsberger Wald“ und die RED III-Sensibilitätszone Windkraft „Nationalpark Kalkalpen – Totes Gebirge – Dachstein“. Weitere Zonen sollen folgen.

Grundlage für die Ausweisung dieser Zonen sind Sensibilitätskarten über den Brut- und Lebensraum windsensibler Vogelarten (also nicht aller Vogelarten), Vogelzugrouten, Fledermauslebensraum, Wolfsmanagementzonen, Luchslebensraum (insbesondere Aufzuchtbereiche), Vorkommen und Wanderung der Wildkatze, zentraler Wildlebensraum und Wildruhezonen, Internationale Wildtierkorridore, Schutzgebietsverbundzonen,  Biotopschutzflächen und Landschaftsschutzzonen. Es ist somit keine eindimensionale Begründung der Sensibilität eines Gebietes, sondern die Gesamtsensibilität aus der Überlagerung unterschiedlicher fachlicher Ausweisungen und Begründungen. Würde man Aspekte des Landschaftsschutzes stärker gewichten, wären diese Zonen wohl deutlich größer ausgefallen.

In diesen „Sensibilitätszonen Wind“ halten wir die Errichtung von Windkraftanlagen für nicht möglich. Die Zonierung und Information über die fachlichen Grundlagen sollen nicht nur in der Energieraumplanung des Landes und des Bundes, sondern auch in den Raumplanungen der Gemeinden Niederschlag finden.

Unabhängig von Fragen der Energieraumplanung/Windkraft wären Impulse für die Region durch einen grenzüberschreitenden Naturpark oder Biosphärenpark „Freiwald - Gratzener Bergland / Novohradské hory – Weinsbergerwald“ und die schrittweise Ausweitung des Nationalparks und seine Ergänzung durch Naturparke oder einen Biosphärenpark überlegenswert. Es geht nämlich nicht nur um Schutz, sondern auch um nachhaltige Entwicklung.

Donnerstag, 21. März 2024

PRESSEKONFERENZ "Windkraft" am 21. März 2024

Windrad Quelle: Werner Dedl, Land Oö.

Die Oö. Umweltanwaltschaft präsentiert die RED III-Sensibilitätszone Windkraft „Alpinzone Nationalpark Kalkalpen - Totes Gebirge - Dachstein"

Presseunterlagen anzeigen (2,55 MB)

Donnerstag, 29. Februar 2024

Pressekonferenz "Windkraft"

RED III - Sensibilitätszone Windkraft Quelle: DORIS Land

Die Oö. Umweltanwaltschaft präsentiert die RED III - Sensibilitätszone Windkraft "Naturregion Freiwald - Weinsberger Wald"

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