Kurz angemerkt... im Dezember 2023 Umweltanwalt DI Dr. Martin Donat
17. Dezember 2023
In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Dieses „Fest des Friedens“ drückt für viele Menschen eine Sehnsucht nach Harmonie aus. Doch unsere verständlichen – mitunter überzogenen – Erwartungen an das „Fest der Liebe“ vermögen die Bruchstellen des Lebens nicht immer zu kitten. Vielmehr ist Weniger nicht selten Mehr und etwas anders kann es auch gehen!
Im Kalender „Ordentlich! Schlampert.“ von thema:natur wird Roesels Beißschrecke (Metrioptera roeselii) so vorgestellt: „Eine Roesels Beißschrecke zupft die Samenschirmchen eines Löwenzahns aus dem Blütenboden und lässt sie fliegen. Warum sie das tut? Man weiß es nicht. Vielleicht findet sie es schön, sie fliegen zu sehen.“
(Quelle: Oö. Umweltanwaltschaft)
Reaktanz beschreibt in der Psychologie die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsräume. Die Reaktanz beschreibt nicht das ausgelöste Verhalten, sondern die zugrunde liegende Motivation oder Einstellung.
Was sagt uns das? Lernen wir von der Roesels Beißschrecke, die Freiheitsräume eröffnet, weil sie es vielleicht schön findet, die Samenschirmchen eines Löwenzahns fliegen zu sehen. Entwickeln wir Reaktanz, deren Entstehen voraussetzt, sich vorstellen zu können über Freiheitsspielraum zu verfügen, diesen Freiheitsspielraum für wichtig hält und eine Bedrohung dieses Freiheitsspielraums wahrnimmt. Die Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 war sowohl von umweltpolitischer als auch von demokratiepolitischer Bedeutung für Österreich. Ähnlich der Zusammenschluss von 35 Natur- und Umweltvereinigungen als „Arbeitsgemeinschaft Hintergebirge“ im Februar 1983, um den geplanten Kraftwerksbau zu verhindern. Klima-Kleber heutzutage mit der Intention, den Alltag zu unterbrechen, der die Klimakrise immer weiter anheizt. Der gegenwärtige ADX-Protest, der die Fragen klimafitte Zukunft und Sensibilität für den Schutz der Natur zusammendenkt.
Eröffnen wir Freiheitsgrade für die Natur, wo psychologischer Druck und die Einschränkung von Spielräumen zu enge Grenzen gesetzt haben. Sprengen wir ein System scheinbarer Notwendigkeiten und tradierter Logiken, indem wir Interessen der Natur, des Schutzes der Landschaft und einem zukunftsfähigen Lebensstil auch dort einmal Vorrang einräumen, wo sie uns nicht unmittelbar nutzen. Kluge Politik, die das in einem geordneten Rahmen ermöglicht, ist gefragt. „Mit Hausverstand“ oder „mit Augenmaß“ sind gern zitierte Rechtfertigungen von überholtem und etwas mutlosem Sesselkleben. Und auch unsere individuellen, konkreten persönlichen Handlungen sind gefragt. Also nicht nur „die da oben“.
Im Sinne von „weniger und etwas anders kann auch gut sein“: frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2024!