Regionale Windkraftnutzung im Spannungsfeld globaler Krisen – warum der Zweck nicht alle Mittel heiligt
04. Dezember 2024
Der Erneuerbaren-Ausbau zur Stromerzeugung soll beschleunigt werden. Das steht außer Streit. Windenergieprojekte waren heuer im Mühlviertel – aber nicht nur dort - ein bestimmendes Thema.
(Quelle: Oö. Umweltanwaltschaft)
Regionale Windkraftnutzung im Spannungsfeld globaler Krisen – warum der Zweck nicht alle Mittel heiligt
Der Erneuerbaren-Ausbau zur Stromerzeugung soll beschleunigt werden. Das steht außer Streit. Windenergieprojekte waren heuer im Mühlviertel – aber nicht nur dort - ein bestimmendes Thema. Allen gemeinsam ist, dass sie in Gebieten umgesetzt werden sollen, die selbst von der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission für eine Windenergienutzung nicht empfohlen werden. Dennoch wurden inzwischen zwei Projekte zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht.
Doch beginnen wir jenseits der Grenze, im Waldviertel, das sich aber mit dem Freiwald und dem Weinsbergerwald eine Naturregion teilt, die sich bis nach Oberösterreich und Südböhmen hinein erstreckt.
Windkraftzonen Bärnkopf
Mit der Novelle des Sektoralen Raumordnungsprogramms über Windkraftnutzung in Niederösterreich (NÖ SekRop Wind) wurden die im nordwestlichen Waldviertel bereits 2014 verordneten Windkraftzonen nach eingehender Prüfung wieder zurückgenommen. In der Gemeinde Bärnkopf wurden hingegen zwei neue Zonen mit einem Flächenausmaß von 60 bzw. 208 ha ausgewiesen, die aus naturschutzfachlicher Sicht hoch kritisch zu bewerten sind und in Anwendung europäischer Naturschutzrichtlinien auch negative Auswirkungen auf Oberösterreich erwarten lassen, da sie wesentliche Bereiche des Weinsbergerwaldes betreffen.
Nicht nur die Oö. Umweltanwaltschaft, sondern auch namhafte Umweltorganisationen wie Naturschutzbund NÖ, WWF, Ökobüro und Umweltdachverband, haben ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht und sich in gleicher Weise gegen eine Windenergienutzung in Bärnkopf ausgesprochen oder sich der Stellungnahme der Oö. Umweltanwaltschaft (s. Stellungnahme NÖ SekRop Wind) angeschlossen. Die ausgewiesenen Zonen liegen im Schwarzstorch-Dichtezentrum Frei- und Weinsbergerwald und sind somit ornithologisch hochgradig sensibel. Das felsdurchsetze Gebiet um die sogenannte „Luchsmauer“ ist aber auch der engere Lebensraum für die gleichnamige Großkatze mit nachgewiesenem Reproduktionserfolg. Aufgrund dieser Besonderheit ist es nicht nur artenschutzrechtlich höchst relevant, sondern es ist auch als „faktisches“ FFH-Gebiet anzusehen. Berücksichtigt wurden diese im Rahmen der öffentlichen Begutachtung vorgebrachten Einwände und Bedenken jedoch in keiner Weise und das NÖ SekRop Wind wurde Ende August 2024 verordnet. Das lässt erhebliche Zweifel an der Bedeutung und Wirksamkeit der nach der Aarhus-Konvention verpflichtenden Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung (SUP) aufkommen. Auf der Ebene der SUP hätten die Windzonen in Bärnkopf aus fachlicher Sicht eigentlich ausgeschieden werden müssen.
Die Oö. Umweltanwaltschaft hat sich Mitte September erstmalig und zuletzt Ende November an die Abteilung Raumordnung der NÖ Landesregierung mit dem Ersuchen gewandt, die Gründe für die Nichtberücksichtigung der eingegangenen Stellungnahme(n) zu nennen. Jegliche Reaktion ist bislang – unverständlicherweise – ausgeblieben, was das Vertrauen in die Objektivität und Nachvollziehbarkeit von SUP-Verfahren nicht gerade bekräftigt.
Windpark Königswiesen/St. Georgen am Walde
Beim NÖ SekRop Wind hat man sich die Mühe gegeben, durch Einhaltung entsprechend großzügiger Abstände zu den Nachbarländern grenzübergreifende Auswirkungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Anders in Oberösterreich. Hier wurde Anfang Juli 2024 bei der UVP-Behörde die Genehmigung eines Windparks in den Gemeindegebieten von Königswiesen und St. Georgen am Walde beantragt, der mit insgesamt 10 Windenergieanlagen im Stiftinger Forst unmittelbar an der Landesgrenze anschließt und naturräumlich jedenfalls mit den Windkraftzonen in Bärnkopf interagiert.
Für dieses Projekt wurde ein Vorverfahren durchgeführt, über dessen Ergebnis die Projektbetreiber Ende Juni von der Behörde dahingehend informiert wurden, dass keine offensichtlichen Mängel festgestellt worden seien. Das war für die Oö. Umweltanwaltschaft insofern erstaunlich, da sie selbst die Vorprüfungsunterlagen gesichtet und eine Stellungnahme (s. Stellungnahme Windpark Königswiesen) mit einer klaren Botschaft hinsichtlich der Konfliktträchtigkeit des Standorts und zum Genehmigungsrisiko des Vorhabens abgegeben hat. Wie bereits in der Stellungnahme zum NÖ SekRop Wind dargelegt, handelt es sich beim Stiftinger Forst ebenfalls um ein Gebiet, das nicht nur den engeren Lebensraum des Luchses mit einschließt und somit als „faktisches“ FFH-Gebiet zu werten ist, sondern auch nachweislich um einen sensiblen Vogel-Lebensraum (s. Studie Stiftinger Forst). Auch konnte in Erfahrung gebracht werden, dass im Vorverfahren seitens des Naturschutzes noch weitere Untersuchungen für ein beurteilungsfähiges Einreichprojekt eingefordert wurden. Dennoch vergingen gerade einmal rund zwei Wochen zwischen Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorprüfung und der Einreichung des UVP-Projekts. Was Zweifel an der Qualität der Einreichunterlagen aufkommen ließ, die in Folge auch bestätigt wurden.
Bekannt ist der Oö. Umweltanwaltschaft bislang nur der UVE-Fachbeitrag Tiere, Pflanzen, Lebensräume (dat. 26.06.2024). Doch dieser ist erwartungsgemäß unvollständig und mangelhaft. So wurde etwa die hoch relevante Tiergruppe der Fledermäuse mit dem Hinweis abgehandelt, dass die Erhebungen noch nicht erfolgt sind, und bei den Vögeln gründet die Sensibilitätsbewertung nicht auf deren Gefährdungseinstufungen in Ober-, sondern in Niederösterreich. So werden viele Monate zwischen Projekteinreichung und Verfahrenseinleitung verstreichen, die maßgeblich mit dafür verantwortlich sind, dass den UVP-Verfahren der Ruf vorauseilt, sie würden ewig dauern.
Schenkt man den Aktivitäten der Transparenzinitiative Windpark Königswiesen seine Aufmerksamkeit, so kommt man unausweichlich zum Ergebnis, dass es auch im Falle des Windparks Königswiesen/St. Georgen am Walde bei der Einbindung der Öffentlichkeit schwere Versäumnisse gegeben haben muss. Mit beachtlichen 582 Unterstützungserklärungen aus der Bevölkerung hat man sich an den Gemeinderat von Königswiesen gewandt, mit dem Ersuchen, von einer übereilten Zustimmung zur Einleitung des UVP-Verfahrens Abstand zu nehmen und eine Volksbefragung durchzuführen. Dem Vernehmen nach mit demselben Wording wie in Rainbach. Was in Rainbach recht ist, sollte auch in Königswiesen billig sein, würde man denken. Die Bemühungen der Initiative um Mitsprache waren bisher ohne Erfolg.
Windpark Sandl
Dass im Gemeindegebiet von Sandl schon seit einiger Zeit an der Entwicklung eines Windparks gearbeitet wurde, war kein Geheimnis. So wurde mit Jahresbeginn 2025 mit einer Projekteinreichung bei der UVP-Behörde gerechnet. Umso überraschender waren daher die Medienberichte Ende November, dass das Vorhaben bereits eingereicht wurde. Nun liegt es auf dem Tisch, dass in Sandl eigentlich kein überschaubarer Windpark errichtet, sondern in einem etwa 1000 ha großen Projektgebiet ein Mega-Windpark erschaffen werden soll. Geht es nach den Investoren, dann sollen in einem ausgedehnten Wald- und Moorgebiet künftig 22 Windenergieanlagen 285 m hoch in den Himmel ragen. Wahre Giganten also, die alles bisher Dagewesene in Österreich in den Schatten stellen!
Unisono wird das Vorhaben von den Medien als Meilenstein der Energiewende positioniert.
Klimaschutz ist wichtig. Es gibt jedoch Thermen, die kommen in der Berichterstattung nicht oder nur sehr untergeordnet vor, wie etwa die Frage der Zusage von finanziellen Zuwendungen an Gemeinden vor Beschlussfassung im Gemeinderat, das Finanzierungsmodell von Windstrom sowie Fragen der Mindestanforderungen an die Fachunterlagen vor Beschlussfassung des Gemeinderats als Widmungsbehörde zu einem UVP-pflichtigen Windpark. Oder die Fragen des Naturschutzes. Gerade hier werden nicht selten Äpfel mit Birnen verglichen, etwa wenn als Kompensation zu massiven Eingriffen im Bereich Vogelschutz im Gegenzug einige Nistkästen im Wirtschaftswald aufgehängt oder Amphibientümpel angelegt werden. Das Thema Landschaftsbild wird mit dem Hinweis, dass alles im Wandel sei, abgetan. Und auch andere Bedenken und Ängste der Betroffenen – seien sie nun substantiell oder nicht, das ist unerheblich – werden kleingeredet und ohne Zugehen auf die Betroffenen vom Tisch gewischt. Keine kluge Vorgangsweise.
Wenn jedoch im Dreiländereck von Oberösterreich, Niederösterreich und Südböhmen 22 gigantische Windenergieanlagen – und möglicherweise in Zukunft noch mehr – errichtet werden sollen, ist dies kein isoliertes Einzelprojekt, sondern aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes ein Dammbruch! Dieses Gebiet befindet sich mitten am Grünen Band Europas in einer Important Bird and Biodiversity Area, die Kernlebensräume geschützter und/oder im Mühlviertel seltener Arten darstellen. Zum Luchs und Wolf, die hier noch einen Rückzugsraum vorfinden, gesellen sich Rotwild und gelegentlich Elche. In dem an Mooren reichen Naturraum leben unter anderem Sperlingskauz, Waldschnepfe und Haselhuhn, im Luftraum über dem ausgedehnten Waldgebiet patrouillieren Greifvögel wie der Seeadler. In dieser Qualität gibt es im gesamten Mühlviertel nichts Vergleichbares.
In ihrer Stellungnahme weisen die tschechischen Fachstellen des Kreisamts Südböhmen explizit auf die naturräumliche Bedeutung des Grenzgebiets und die hohen öffentlichen Interessen des Naturraumschutzes hin und belegen diese ausführlich (s. Stellungnahme Windenergie Kreisamt). Hier sei explizit auf den Umstand verwiesen, dass sich auf Höhe des geplanten Windparks Sandl direkt an der Grenze auf tschechischer Seite ein EU-Vogelschutzgebiet befindet. Sie kommen zum Schluss, dass die Auswirkungen der Errichtung und des Betriebs dieser Windkraftanlagen den Schutzinteressen auf tschechischer Seite eindeutig entgegenstehen. Abschließend stellen sie unmissverständlich fest: „Unserer Meinung nach ist dies ein Gebiet mit einem besonderen öffentlichen Interesse am Schutz der Naturwerte, mit dem Schwerpunkt auf den Schutz des Landschaftscharakters, in einem relativ unversehrten Gebiet auf beiden Seiten der Staatsgrenze.“
Die tschechischen Fachstellen bestätigen und verifizieren somit von unabhängiger Seite die ökologische Bedeutung und Schutzwürdigkeit des Gebiets. Faktenbasiert lässt sich feststellen, dass der geplante Windpark Sandl in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Vogelschutzgebieten Waldviertel (Niederösterreich) sowie Novohradske hory (Tschechische Republik) und zudem innerhalb der Important Bird Area Freiwald liegt. Somit ist auch von einer Lage innerhalb eines faktischen Vogelschutzgebiets auszugehen.
In der Vergangenheit gab es zu drei faktischen Vogelschutzgebieten in Oberösterreich – Böhmerwald, Freiwald und Nördliche Kalkalpen – schon lange konkrete Planungen, die aber bis dato noch nicht umgesetzt wurden. Es handelt sich, wie eben hier im Bereich des Freiwalds, um einen Kernbereich des Naturschutzes. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass dieses Gebiet im Oö. Windmasterplan als Ausschlusszone geführt wird.
Die Projektwerber haben diese fachlichen und planerischen Fakten ignoriert und den Windpark Sandl dennoch eingereicht. Es ist rechtlich eindeutig, dass im Fall des Windparks Sandl nicht nur ein grenzüberschreitendes UVP-Verfahren (nach Espoo-Konvention), sondern – unabhängig und nicht subsumiert vom UVP-Verfahren – auch ein grenzüberschreitendes Naturverträglichkeitsprüfungsverfahren stattzufinden hat.
Windkraftland Oberösterreich
Der Oö. Umweltanwalt ist im Sommer 2023 nach einer Analyse der Ist-Situation zum Ergebnis gelangt, dass Oberösterreich kein Windkraftland sei. Ein Faktum, dass bereits der
Oö. Windmasterplan 2017, die unveränderten Abstandsbestimmungen zu bewohnten Objekten und die seither verdichteten Naturschutzdaten ohnehin eindeutig belegen. Greift man die Empfehlungen der zu Beginn des Beitrags erwähnten Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission auf, dann wird diese Erkenntnis auch von unabhängiger Seite untermauert.
Österreich ist ein naturräumlich und landschaftlich äußerst vielfältiges Land. Mit unterschiedlichen Ausbaupotentialen für die wichtigsten erneuerbaren Energieträger Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik. Bei der Energiegewinnung aus Wasserkraft braucht sich Oberösterreich nicht zu verstecken und im Photovoltaiksektor gibt es noch ein echtes Ausbaupotential. Hingegen geht es Oberösterreich bei der Windkraft wie dem Burgenland bei der Wasserkraft. Hier gibt die Natur die Grenzen vor. Der Verein Kleinwasserkraft Österreich zählt in Oberösterreich – neben den Kraftwerken an den großen Flüssen – 740 anerkannte Kleinwasserkraftwerke, im Burgenland insgesamt 17. Windkraftanlagen hingegen standen den Angaben der IG Windkraft zufolge Ende 2023 im Burgenland 461, in Oberösterreich 31.
Die Themen Klimaschutz und Energiewende sind zu komplex, um sie auf die Frage Windrad ja oder nein reduzieren zu können. Lokale Maßnahmen des Klimaschutzes und ihre „Kosten“ müssen dann hinterfragt werden dürfen, wenn sie die letzten Naturräume einer Region gefährden. Die Klimakrise entscheidet, wie wir in Zukunft leben. Die Biodiversitätskrise entscheidet, ob wir überleben.
Mittwoch, 4. Dezember 2024
Vogelkundliche Erhebungen im Stiftinger Forst bei Königswiesen
Eine gezielte Erfassung gefährdeter Vogelarten im Stiftinger Forst im Jahr 2024 hat interessante Ergebnisse gebracht und zeigt damit auch die ornithologische Bedeutung und Sensibilität dieses Teils des Weinsbergerwaldes auf.
Studie anzeigen (5,74 MB)
Donnerstag, 16. Mai 2024
Stellungnahme zum Sektoralen Raumordnungsprogramm Windkraft in Niederösterreich (NÖ SekRop Wind)
Das Land Niederösterreich beabsichtigt, das Sektorale Raumordnungsprogramm für die Windenergienutzung zu novellieren. Die Oö. Umweltanwaltschaft hat zu zwei kritischen Windkraftzonen im Weinsberger Wald (Waldviertel) eine Stellungnahme abgegeben.
Stellungnahme anzeigen (1,85 MB)
Dienstag, 4. Juni 2024
Windpark Königswiesen – St. Georgen am Wald, UVP-Vorverfahren
Die WE-Königswiesen – St. Georgen am Walde GmbH beabsichtigt die Errichtung eines Windparks im Stiftinger Forst (Weinsberger Wald). Die Oö. Umweltanwaltschaft hat sich im UVP-Vorverfahren zum Konzept für die Umweltverträglichkeitserklärung geäußert.
UVP - Vorverfahren (2,16 MB)
Dienstag, 12. November 2024
Windenergie - Stellungnahme des Kreisamts Südböhmen - Stanovisko Krajského úřadu Jihočeského kraje k větrné energii
Stellungnahme der behördlichen Fachstellen des Kreises Südböhmen zu RED III-Windkraft-Zonierungsplanungen an der südböhmischen Grenze zu OÖ und NÖ bestätigt die Fachvorschläge der Umweltanwaltschaft und validiert sie von unabhängiger Seite.
Stellungnahme anzeigen (8,42 MB)